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Kann jeder Mensch kreativ sein oder ist die schöpferische Erfindungsgabe nur etwas für einige wenige unter uns? Innovationscoach und Buchautor Florian Rustler aus München gibt Antworten.

Manche sagen, entweder man ist von Geburt an kreativ – oder man ist es eben nicht. Kreativität lässt sich am einfachsten als jene Fähigkeit definieren, etwas Neues zu schaffen, das Nutzen bringt. Die gute Nachricht ist, dass jeder Mensch mit dieser Fähigkeit geboren wird, grundsätzlich also kreativ sein kann. Doch wir leben dieses Potenzial auf sehr unterschiedliche Art und Weise aus. Ob jemand Kommunikator geworden ist und sich bewusst gegen eine Laufbahn als Quantenphysiker entschieden hat, hängt vermutlich auch mit diesen individuell gelagerten Talenten zusammen. Diese lassen sich zwar bewusst nutzen, aber in der Tat nur schwer beeinflussen. Es gibt dabei jedoch mehrere Aspekte, die sich bewusst beeinflussen lassen: die Haltung, Gewohnheiten sowie Techniken und Prozesse.

Die richtige Haltung entscheidet

Zentral für Kreativität und die Frage, wie kreativ jemand sein wird, ist neben den Gewohnheiten auch die Haltung eines Menschen gegenüber neuen Ideen und den Reaktionen darauf. Die große Mehrheit weiß bei einer Idee oder einem ungewöhnlichen Vorschlag meist recht schnell, warum dieser nicht funktionieren wird. Diese Menschen finden Gründe, warum es nicht geht: „Ja, aber …“ Die Idee erstickt dabei bereits im Keim. Es wäre aber auch möglich, neuen Ideen mit der Haltung zu begegnen, erst einmal das Positive oder die Chance in Neuem zu sehen. Ganz nach dem Credo: „Warum eigentlich nicht?“ Neben dem Realitätssinn braucht es auch den Möglichkeitssinn, denn besonders im Anfangsstadium sind neue Ideen extrem fragil. Die Haltung der Menschen, die diese Ideen betrachten, ist dabei entscheidend, ob diese eine Chance haben oder sofort aussortiert werden. Denn häufig können sie die Entwicklung von Ideen nicht von der Bewertung von Optionen trennen. Beides sollte nicht gleichzeitig durchgeführt werden. Während wir Ideen generieren, möchten wir wirklich erst einmal eine gewisse Zeit mit ihrer Entwicklung verbringen und dabei sämtliche Bewertungen zurückstellen – egal ob sie gut oder schlecht sind. Erst danach, wenn die Optionen auf dem Tisch liegen, beginnen wir diese zu bewerten und über ihre Qualität zu sprechen. In der Fachsprache nennt man das die Trennung des divergierenden und des konvergierenden Denkens.

Probleme als Fragen formulieren

Das klingt auf den ersten Blick noch simpler, hat jedoch einen starken Effekt auf das eigene Denken und das der Kollegen. Anstelle der Aussage „Der Text liest sich zu schwammig und verschnörkelt“ könnte man fragen: „Wie können wir die Botschaft noch direkter rüberbringen?“ Wir versuchen also, ein Problem als offene Frage zu formulieren. Der Unterschied in den Köpfen aller Beteiligten ist, dass wir in den Lösungsmodus kommen. Diese kleine Veränderung im Denken und Sprechen kann eine sehr positive Dynamik in das Denken und damit ins Team bringen. Neben diesen zwei Beispielen für Denkgewohnheiten gibt es auch Gewohnheiten des Tuns, die Kreativität begünstigen können. Oft müssen die Dinge ganz dringend und am besten sofort erledigt werden. Wer kann, lässt idealerweise zwischen dem ersten Wurf und der finalen Version einer Arbeit etwas Zeit verstreichen.

Das Gehirn beschäftigt sich weiter mit der Sache, auch wenn wir nicht aktiv daran arbeiten. Diese Inkubationszeit führt dann noch einmal zu neuen Ideen und Aspekten, die eine erste Version noch einmal verbessern können. Wenn möglich, sollte man diese Inkubationszeit nutzen. Der wichtigste Erfolgsfaktor für Kreativität kann nicht wirklich erlernt, jedoch durchaus beeinflusst werden: die Motivation. Der größte einzelne Einflussfaktor auf die Frage, wie kreativ jemand sein wird, ist die Frage, ob und wie motiviert er oder sie für eine Sache ist. Gibt es einen Grund, kreativ zu sein? Erachte ich die Tätigkeit und das Ziel als sinnvoll? Diese beiden Fragen sollten vorab ­positiv beantwortet werden. Erst dann ist man startklar, um der Kreativität mit einer positiven Grundhaltung und der einen oder anderen Technik freien Lauf zu lassen.